Erlebnisbericht Malaysia, Tag 5

(Von Herbstlager-Teilnehmerin Linda Zeller)

Wahrscheinlich hat unser Sifu schon oft die Frage oder direkt die Unterstellung gehört, dass es Qi nicht gibt. Ich persönlich glaube an dessen Existenz, seit ich das erste Mal unsere erste Hauptform üben durfte. Heute machen wir eine Übung, die zumindest zum Teil erstaunliches zum Vorschein bringt. In einer Partnerübung bildet ein Schüler mit den Armen und Händen vor sich einen Kreis, der zwischen den Händen offen ist. Sein Gegenüber leitet Qi in die eigene Hand und dringt in diesen Kreis ein. Wojtek, mit dem ich übe, berichtet bei der Besprechung, er habe so etwas wie Oberflächenspannung gespürt, als er in meinen Kreis gegriffen habe. Alexandra erzählt von einer Wärme, die sie selbst gespürt hat, als Sabriye dasselbe bei ihr gemacht hat. Nicht alle stellen etwas fest, auch ich selbst nicht, aber dennoch lassen diese Ergebnisse mich fasziniert zurück.

Bild: Für mich steht fest – «Qi» ist durchaus real und spürbar.

Nach dem Qi Gong und Frühstück steht wie jeden Tag noch Kaffeetrinken an. Dort entwickelt sich eine aussergewöhnliche – nennen wir es Theorierunde. Es gibt sicher viele Gründe, um Kung Fu zu machen. Wir jedoch lernen heute den wahren Grund, warum ein Aufhören unmöglich ist, hat man erst einmal damit begonnen. Es ist laut unserem Sifu nämlich folgendermassen: Beginnt man mit Kung Fu, wird man von einem Dämon besessen. Den wird man nicht mehr so einfach los. Erst mit den späteren Hauptformen winkt, wedelt, quietscht und lacht man den Dämon endlich wieder weg. Also nicht vorher aufhören, sonst hat man Pech gehabt.

Bis dahin ist es allerdings noch ein ziemlich weiter weg. Darum üben wir einfach wieder weiter. Aus den Übungen der Vortage werden Drills, bis wir schliesslich als Höhepunkt das gelernte in einer Miniatur-Kampfsimulation anwenden. Zwei Schüler stehen sich gegenüber, wer den ersten Treffer landet, gewinnt. Ich mag solche Aufgaben und geniesse die Herausforderung. Die vorher aufgebaute Anspannung fällt wieder ein wenig ab und ich kann mich gut in die Situation hineinbegeben.

Bild: Auch Liegestützen kommen nicht zu kurz.

Nach einer Stunde Kraftraum ist die Übungswoche für uns beendet. Morgen und übermorgen haben wir frei und es ist ausschlafen angesagt. Bevor wir ins verdiente Wochenende kriechen, rekapitulieren wir, was wir gelernt haben.

  • Behalte die Umgebung im Auge.
  • Bleib locker.
  • Bleib in Bewegung.
  • Fordere eine Reaktion hinaus, um sie zu nutzen.
  • Gehe vorsichtig mit deinen Ressourcen um.
  • Schütze deine Mitte.

Müde und zufrieden verziehen wir uns anschliessend und geniessen den Nachmittag. Liegend, hängend, kriechend und was sonst gerade noch geht. Die Woche war anstrengend, aber wir alle haben einen spürbaren Fortschritt gemacht.

Bild: Die Gebäude sind gross und zahlreich. Viel Platz für Malls also.

Gegen Abend machen wir einen Ausflug in zwei Malls, ehe wir ins Outback essen gehen. Es ist dort wie gewohnt gut, aber wir alle stellen mehr und mehr fest, dass es uns an allem möglichen fehlt. Das Essen ist einfach nicht so nahrhaft wie bei uns zuhause. Immerhin fehlt es nicht an weichen Betten, denn zumindest Nadine, Alex und ich tun an diesem Abend nicht mehr viel ausser ein wenig Kartenspielen und schlafen.